Wissenschaft und Text

In meinen Studium setze ich mich unter anderem mit Netzpolitik auseinander. Ein Themenfeld zu dem es vergleichsweise wenig wissenschaftliche Literatur gibt. Viele Quellen sind dabei im Netz. An sich kein Problem, denn die Politikwissenschaft ist darauf vorbereitet, dass es Quellen im Internet gibt. Quellenverweise werde im Leitfaden für das (politik)wissenschaftliche Arbeiten (aus Marburg) sieht dabei Beispiele wie folgt vor:

Paust, Andreas: Erfolgsbedingungen und Wirkungen von kommunalen Bürgerbegehren. 2003. – http://www.buergerbegehren.de/texte/dresden.htm, Zugriffsdatum: 14.04.2004

Schubert, Klaus / Klein, Markus: Das Politiklexikon. Kap. Volksabstimmung. in: Das Politiklexikon. Bonn : J.H.W. Dietz, 2001. – http://www.bpb.de/popup_lemmata/ ZH4N1X/Abstimmung.html, Erstellungsdatum: 14.04.2004

Problematisch dabei für mich ist, dass die Wissenschaft bisher nicht darauf vorbereitet ist, dass Wissen über ein anderes Medium als geschriebenen Text verbreitet wird. Nicht zuletzt durch eigene Produktionen weiß ich, dass Wissen auch über Vorträge und Ähnliches verbreitet wird. So erscheinen zu längst nicht allen Vorträgen, die als Podcasts im Netz zu Verfügung stehen, auch entsprechende Artikel oder Bücher. Oder diese Artikel und/oder Bücher sind nicht verfügbar oder sind unerschwinglich. Ein Problem auf das ich häufiger gestoßen bin.

Podcasts (oder auch einfach nur Audio-/Videoaufnahmen) können dabei eine Quelle wie jede andere sein. Sie können eine wissenschaftliche Abhandlung zu einem Thema sein. Sie können aber auch eine Dokumentation einer Veranstaltung sein, zu der kein Protokoll existiert, oder das Protokoll, wenn es kein Wortprotokoll ist, ist durch Zusammenfassung vielleicht verfälscht. Es spricht an der Stelle sogar einiges dafür eine Aufnahme einem Protokoll vorzuziehen. Bisher fallen mir keine zwingenden Gründe ein, warum Podcasts nicht als Quellen geeignet seien sollen, wäre an Kritik aber sehr interessiert.

Nun gibt es meiner Ansicht nach zwei Möglichkeiten mit solchen Aufnahmen umzugehen. Zum einen könnte die Aufnahme, analog zu aufgezeichneten Interviews im Rahmen qualitativer Analyseverfahren, komplett transkribiert werden. Hier kämen gleich mehrere positive Aspekte zusammen. Zum eine wird die Aufnahme durchsuchbar und es lassen sich eben qualitative Analysemethoden auf den Text anweden. Auch werden Audioaufnahmen für Personen zugänglich, die nicht oder nur schlecht hören können. Gerade für wörtliche Zitate ist es eh unabdingbar zu transkribieren. Nur muss ich auch sagen, dass es schlicht schwer möglich ist, viele Audioaufnahmen zu transkribieren. Das wird im Studium gerade für Bachelor-StudentInnEn zunehmend unmöglich, da der Aufwand unglaublich hoch ist – die Faustformel lautet, dass auf eine Minute Aufnahme ca. 10 Minuten Transkribieren kommen. Das ist selbst für mich nicht wirklich leistbar. Ich habe in meiner aktuellen Hausarbeit drei Aufnahmen verarbeitet.

Zum anderen kann die Aufnahme auch wie ein Artikel behandelt werden. Beim Zitieren und Belegen von Artikeln geht es ja darum die Referenz zur Quelle des Gedankengangs, der Zahlen oder der Forschungsergebnisse offen zu legen. Das Ziel ist dabei Nachvollziehbarkeit. Diese ermöglicht auch die kritische Überprüfung der zugrunde gelegten Daten. Die Referenzen sollten meiner Ansicht nach so genau wie möglich sein. So lehne ich es ab einfach nur komplette Artikel zu referenzieren, wenn es um einen expliziten Gedankengang oder spezifische Daten geht. So eine Praxis findet sich oft in US-Amerikanischen Journals. Mindestens die Eingrenzung auf Seitenzahlen muss dabei sein. Seitenzahlen machen es den LeserInneN viel einfach die Quelle nachzuvollziehen. Nun haben Aufnahmen leider keine Seitenzahlen. Selbst dann nicht, wenn sie transkribiert worden sind. Deswegen schlage ich vor die Quellenangaben einfach mit Time-Codes zu versehen. So zitiere ich in meiner aktuellen Hausarbeit wie folgt im Fließtext:

(vgl. Beckedahl: 2011a, ab 00:20:00)

Natürlich verbunden mit der ordentlichen Quellenangabe im Quellenverzeichnis:

Beckedahl, Markus (2011a): Markus Beckedahl – Die Digitale Gesellschaft erklären. http://www.youtube.com/watch?v=Cg1iXsWoALc. Zugriffsdatum: 20.09.2011.

Hätte ich wörtlich zitiert, dann wäre mir das Transkribieren nicht erspart geblieben. Aber so ist es möglich das Gesagte zusammen zu fassen und trotzdem möglichst zielgenau zu belegen.

Zwei Fragen zum Schluss. Sind euch schon mal andere Möglichkeiten zum Belegen unter gekommen?? Und wie könnte diese Art noch verbessert werden??

4 thoughts on “Wissenschaft und Text

  1. ich hab den text jetzt erst entdeckt, aber ja, da hab ich mir auch schon gedanken drüber gemacht. das mit dem zitieren hast du glaub ich ganz gut dargestellt, zumindest ist mir noch keine bessere lösung eingefallen. ich denke, transkribieren lohnt sich erst, wenn man den text dann mit einem auswertungsverfahren behandelt.
    problematischer für mich ist ja eher das festhalten meiner gedanken. ich höre oft netzpolitische podcasts und denke mir, dass ich den ein oder anderen punkt darin bestimmt noch gebrauchen könnte. aber ich vergesse natürlich jedes mal, mir das mal irgendwo aufzuschreiben oder gar ein exzerpt anzulegen. das geht mir bei texten zwar auch oft so, aber die liegen dann im zweifelsfall ausgedruckt oder als pdf auf meinem reellen oder virtuellen schreibtisch, während die podcasts aus dem blickfeld verschwinden.

  2. Ist das bei dir ein technisches Problem??
    Also ich mache gerade häufiger Gedanken, wie das Problem zu lösen ist, dass es nicht so wirklich möglich ist einzelne Parts aus Podcasts zu verlinken.
    An sich ist es schon möglich, gerade durch HTML 5 und die Player dazu. Nur gibt es bis auf Soundcloud (und die sind leider nicht kostenlos und nicht HTML 5) keine „Plattform“ die das gebündelt anbietet. Ich hätte da ein paar Ideen dazu, aber weder die Expertise noch die Zeit…
    Würde dir denn eine Webapp helfen in der du die Mediendatei einträgst, dort anhörst und während dessen TimeMarker setzen kannst, die du dann z.B. per Mail an dich selbst schickst?? Nur mal so als ersten Gedanken in den Raum geworfen…

  3. naja es ist zum großteil auch ein soziales problem 😉 wenn ich in meiner freizeit ein buch lese und darin eine interessante stelle finde für meine arbeit, dann notier ich mir das auf irgendeinen zettel. aber eben auch nicht immer. wenn ich unterwegs bin und einen podcast höre, in dem irgendwas total spannendes vorkommt, dass ich gut gebrauchen könnte, dann mach ich das noch viel weniger. für mich ist podcasts hören auch irgendwie noch mehr im reich der freizeit angesiedelt als (sach-/fach-)bücher. es wäre ja vom ding her kein problem, ins iphone (oder sonstige podcastabspielgerät) eine notiz anzulegen.
    wenn der podcast-standard-player so eine funktion mit dabei hätte, wäre das natürlich schick, aber für 99% der user_innen vermutlich auch overkill 🙂

  4. Ok, ich werde mal meine Gedanken geordnet in einen Blogpost dazu schreiben. Denn „es wäre ja vom ding her kein problem, ins iphone (oder sonstige podcastabspielgerät) eine notiz anzulegen.“ könnte durchaus in einer WebApp gelöst werden wenn ich das richtig sehe.
    Vielleicht erbarmt sich dann jemand uns von unserem Leiden zu erlösen 😀

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