M’era Luna 2010 – groß aber gut

Einen Tag (oder mittlerweile doch mehr Zeit) habe ich mir Auszeit genommen und die Camping-Sachen halbwegs wieder weggeräumt, nach dem M’era Luna 2010. Ein Bisschen was zum Festival will ich aber doch schreiben, weil mir viele, unterschiedliche Gedanken dazu durch den Kopf gehen. Ich glaube ich sortiere es chronologisch.

Eigentlich ist mir das M’era zu groß und ich hatte auch immer gesagt, dass ich nicht hin will, wegen zu vielen Menschen, aber geschenkten Karten schaue ich nicht ins Maul. Mit geschätzten 24.000 Menschen ist es im Vergleich zum Black Field Festival, bei dem ich letztes Jahr zugegen war, ca. 10 Mal so groß. Dementsprechend gestaltete sich auch die Situation auf dem Camping-Platz. Durch Erwerbstätigkeit und Stau konnten wir erst 20 Uhr am Freitag da sein, viel zu spät wie ein Freund mir vorher sagte und sich dann auch zeigte. Vor allem wenn fünf Zelte und ein Pavillon einen Platz suchen. Ziemlich unmöglich fand ich dabei die recht aggressive Art auf dem Platz die eigenen Plätze zu verteidigen und andere Leute recht fern zu halten. Ich kann es gut verstehen, dass es blöd ist, wenn es für alle zu eng ist, aber es ist eben für alle zu eng und nicht nur für das Selbst. Es fanden sich dann aber nach der Öffnung einiger Fluchtwege dann aber doch Plätze.

Musikalisches

Der Samstag war super, obwohl er damit begann, dass Qntal ihren Auftritt absagen mussten. Für meinen Geschmack waren an diesem Tag vor allem Samsas Traum, Nitzer Ebb und die Sisters of Mercy die Highlights. Auch wenn die Sisters im guten 80’er-Jahre Stil die komplette Bühne in Nebel gehüllt hatten und die Band selten komplett zu sehen war. Beachtlich fand ich, dass der Altersschnitt um mich herum plötzlich um 20 Jahre anstieg als Unheilig ging und die Sisters kamen. Zu Unheilig kann ich nur sagen: Absoluter Personenkult um den Grafen, fast nur Zeug von der poppigen neuen Platte gespielt und nicht mal die Bandmitglieder vorgestellt. Shame on you!!

Am Sonntag waren die Highlights The Other und The 69 Eyes, beide Bands wohl gerade von Wacken angereist. Combichrist konnte ich kaum sehen nur hören, weil der Hangar voll war, aber wie schon beim Konzert in FFM haben sie (wohl) eine super Show abgeliefert. Leider verpasst habe ich Agonoize und Feindflug, die ich mir beide zumindest gern angeschaut hätte, was sie so für eine Show abliefern. Aber alles geht eben nicht.

Insgesamt würde ich sagen, dass die Musikzusammenstellung ziemlich gut war, weil sie recht breit war und damit viele Leute was geboten bekommen haben. Newcomer-Förderung inklusive.

Das Drumherum

Auch das drumherum war ziemlich nett. Der Umgang der Leute miteinander wurde besser als die Sache mit dem Camping geklärt war. Ziemlich viele nette Leute, höflicher Umgang und so weiter. Mag ich. Duschen waren ok, Schlangen zum Frühstück und zu den Duschen und Toiletten zeitweise lang, aber das lässt sich sicher schlecht vermeiden. Das essen war meist zwar eher passabel, als wirklich gut. Bei den meisten Gelegenheiten war auch was für fleischfrei-Essende was dabei und zwar nicht nur irgendwie als nette Beigabe. Auch nett.

Interessant fand ich den Umstand, dass es nicht mal eine halbe Stunde dauerte, dass wir die ersten Leute aus der Szene rund um Marburg/Gießen gefunden hatten. Der Eindruck, dass es sich doch eher um ein Dorf als um eine internationale Massenveranstaltung handelt kam dann recht schnell. Das machte auch die 30.000 nicht mehr so abschreckend. Die Kehrseite: Leute die mir auf andern Konzerten durch massive Rücksichtslosigkeit (im Moshpit) aufgefallen sind waren auch schnell gefunden.

Und dann waren da auch die vertrauten, immer gleichen Sachen, die mir auf die Nerven gehen. Die schwarze Sonne war zum Beispiel auch vertreten, auch wenn ich nur eine Person mit einem solchen T-Shirt gesehen habe. Dafür eine andere Person mit dem T-Shirt-Spruch „Todesstrafe für Kinderschänder“. Da war es ein ziemlicher Zufall, dass ich bei NPD-BLOG.info einen Artikel gelesen habe, dass die NPD neuerdings noch stärker versucht über die Angst vor Sexualstraftätern Menschen anzuziehen. Dass es in der Gothic-Szene dafür Anknüpfungspotenzial gibt ist zwar schon länger bekannt, aber selten zeigt es sich so deutlich.

Schön an der Szene finde ich die Möglichkeiten zur Differenz, durch die unterschiedlichen Subkulturen innerhalb der Szene, die nicht trennscharf sind, sich überlappen und Stil-Mixe ermöglichen, die Festivals auch modisch immer wieder interessant machen. [Einzige Sache die sich auch weiter meinem Verständnis entzieht ist die Military-Subkultur, bei der ich noch immer den Eindruck habe, dass da die SS maschiert] Auch bei der geschlechtlichen Zuordnung gibt es Spielräume – die nur recht wenig genutzt werden. Aber immer mal wieder gab es Crossdressing, Outfits die geschlechtliche Zuordnung schwierig machten oder auch einfach nur unterschiedliche Kombinationen beim Führen an der Kette.

Im Nachhinein

… könnte ich mich schon wieder bunt ärgern. Im Forum zum M’era gibt es dann eine Diskussion um die Frage in wieweit Uniformen in Ordnung gehen. Ich persönlich finde es nicht in Ordnung Uniformen auf Festivals zu tragen, weil es in jedem Fall eine Affinität zum Militärischen ausdrückt. Ich würde so etwas niemals anziehen. Ich mache nun aber die Leute nicht blöd an, die das nun aber trotzdem tun. Wie es scheint gibt es verschiedene Gründe solche Uniformen zu tragen. Die Spannweite scheint von „Ich finde einfach die Ästhetik toll“ – ich muss noch mal raussuchen wo ich gelesen habe, dass „Die Nazis hatten einfach einen tollen Sinn für Uniformästhetik“ das neue „Die Nazis haben doch die Autobahnen gebaut“ ist – bis zu einfacher Provokation zu gehen. Alles keine Gründe für mich persönlich. Eine Uniform fand ich aber gut gemacht, weil sie den Zeichnungen auf dem Cover der KMFDM Platte „Krieg“ (Link zu einer Rezension beim mad-goth-magzin) nachempfunden war und der Bezug deutlich sichtbar war. Zwar noch immer militärisch, aber ok.

Was ich nicht in Ordnung finde – und auch absolut nicht witzig – sind Leute die sich total witzig finden, wenn sie als Hitler auftreten. Zwar gibt es immer wieder Leute die es überaus witzig finden sich so zu verkleiden und dann auch noch ein Publikum finden, was auf diesen „Humor“ unterster Kajüte abfährt, ich jedenfalls kann dem nichts abgewinnen. Und die „Argumentation“, dass solche Leute wie Hitler nur Witzfiguren wären finde ich gelinde gesagt abscheulich und geschichtsvergessen. Grauenhaft. Dass dann die Diskussion schnell dahin abdriftet, dass Cybers doch bitte zum Rosenmontagszug oder zu CSD gehen sollen weil sie nicht zu den Goths gehören (weil sie wie die Military-Typen lächerlich wären), wundert mich dann überhaupt nicht.

Mein Fazit zum Festival: Tolles Festival, aber zum Glück musste ich nicht alles sehen.

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