Anders sein oder eben nicht

Das Anders-Sein gehört für mich zur Gothic-Electro-Szene dazu. Nicht nur, dass es für mich persönlich etwas für sich hat, von gesetzten Normen abzuweichen und etwas andere Möglichkeiten auszuprobieren. Es gehört auch zum weit verbreitetem Selbstverständnis vieler innerhalb der Szene. Das was durch den Mainstream (wobei der Mainstream immer wieder unterschiedlich wahrgenommen werden kann) und bestimmte andere Szenen (wie zum Beispiel die Hip-Hop-Szene als gesetzte Normen vorgelebt wird, kann als Referenzfolie für Andersartigkeit dienen.

Homophobie, (Hetero-)Sexismus, klischeehafte bis naturalisierte Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit sind weit verbreitete Phänomene der Mehrheitsgesellschaft. Aus einer kritischen Perspektive würde es sich also anbieten, dass sich eine Szene die sich auch über Andersartigkeit definiert gegen diese Phänomene des konstruierten Mainstreams wendet. Also nicht nur anders als der blöde Hip-Hopper und die oberflächlichen Leute aus dem Mainstream, sondern dezidiert antisexistisch, antirassistisch, antihomophob und generell offen für eine differente Lebensweise. Das müsste nicht zwangsläufig zu einer Homogenisierung der Lebensentwürfe führen, sondern könnte weiterhin Differenzen und Widersprüche zulassen, sogar herausfordern. Eine angenehme Vorstellung wie ich finde.

Leider ist diese Vorstellung eben doch nur eine Vorstellung und keine gelebte Realität. Immer wieder ist es eben eine eher oberflächlich verstandene Andersartigkeit, die sich an Musik und und Kleidung festmacht, an mehr aber nicht. Dafür drei Beispiele:

Frau als Werbeplattform

Für das bevorstehende WGT sucht die Band Ext!ze sogenannte Ext!ze-Girls, die für ihre auf dem WGT erscheinende EP „Gothic Pussy“ Werbung machen. Bewerben kann sich frau auch zusammen mit den Freundinnen. Als Lohn für die Selbstvermarktung gibt’s ein T-Shirt und die Ehre mit der Band Party machen zu dürfen. Warum sich keine als männlich angerufenen Personen bewerben dürfen dürfte klar sein, nicht zuletzt aufgrund des EP-Namens.

Heterosexuelle Matrix

Das Projekt Nachtmahr hat eine neue Scheibe herausgebracht, Titel: Mädchen in Uniform. Den namensgebenden Titel gibt es auf der Myspace-Seite zu hören. An sich gibt der Titel einen guten Überblick über das was oberflächliche Andersartigkeit ausmachen kann.

„Mein Geschmack fällt aus der Norm, ich steh‘ auf Mädchen in Uniform“ – Nachtmahr – Mädchen in Uniform

Sicherlich weicht der uniformierte Kleidungsstil von bestimmten gesellschaftlichen Normen ab, sicher ist es noch (immer) was anderes, wenn gerade Frauen Uniformen tragen. Aber was ändert sich eigentlich wenn ein männlicher Interpret ein Begehren auf eine Frau in Uniform richtet. An sich bleibt alles im Rahmen der Heterosexualität und stellt damit ausschließlich modische Konventionen in Frage. Ein „aus der Norm“-Fallen klang für mich vielversprechender.

Homophobie

Gerade hat jemand aus meinem Freundeskreis Feuer gegeben bekommen, kommt die Bemerkung: „Das war aber eine nette Schwuchtel“. Auf mein Entsetzen hin: „Wie das ist doch keine Beleidigung“.
Andersartigkeit bedeutet für mich in diesem Zusammenhang zweierlei. Zum einen ist anders sein wenn ich auf meine Sprache achte. Wenn ich darauf achte, dass ich potentiell keine unbeabsichtigten Ausschlüsse produziere und vor allem, dass ich keine Menschen beleidige. Auch dann nicht, wenn die betreffende Person schon vorbei ist.
Zum anderen gehört für mich dazu andere Leute nicht aufgrund von einem bestimmten Aussehen in irgendeine Schublade zu stecken. Zumindest nicht was u.A. das Begehren angeht. Zum einen steht mir kein Urteil zu, zum anderen interessiert es mich auch nur eher am Rande. Toleranz war eigentlich mal ein konstitutives Element der Szene und für mich gehört Unvoreingenommenheit auch dazu.

Hoffentlich wird Toleranz wieder zu dem was sie war. Von Bedeutung.

1 thought on “Anders sein oder eben nicht

  1. Das Heterosexualität vermutet wird und daher den Normalzustand darstellt beruht meiner Meinung nach auch darauf, dass es der häufigere Zustand ist. Wir Menschen neigen dazu Vermutungen auf der Basis unserer Erfahrungen anzustellen und zur Vereinfachung zu verallgemeinern.

    Ich habe das in einem Beitrag „Heteronormativität“ auf meinem Blog mal näher ausgeführt und würde mich über Kommentare freuen

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